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Der kleine Junge und der Schmetterling: Eine Geschichte über Hilfe zur Selbsthilfe

Autorenbild: Marc RafflerMarc Raffler

Gib einem Menschen einen Fisch, und er wird einen Tag satt sein. Lehre ihn zu fischen, und er wird sein Leben lang satt sein.

- Chinesisches Sprichwort -


Es war einmal ein kleiner Junge, der von der Natur fasziniert war. Besonders interessierte ihn, wie aus einer Raupe ein wunderschöner Schmetterling wird. Eines Tages beschloss er, das Wunder selbst zu beobachten. Er fing eine kleine Raupe und setzte sie in ein leeres Marmeladenglas. Sorgfältig legte er einen kleinen Zweig und etwas zu fressen hinein und stach Löcher in den Deckel, damit die Raupe atmen konnte.

 

Jeden Tag beobachtete er gespannt, wie die Raupe wuchs und schließlich begann, einen Kokon um sich zu spinnen. Es war ein spannendes Spektakel, das der Junge nicht verpassen wollte. Nach einer Weile war der Kokon fertig, und die Raupe schien tief im Inneren in ihrem nächsten Lebensabschnitt zu sein.

 

Dann, eines Tages, begann die große Verwandlung. Der kleine Junge sah, wie sich der Kokon bewegte – die Raupe kämpfte verzweifelt darum, herauszukommen. Stunde um Stunde verging, und der kleine Junge fühlte Mitleid. „Es muss so anstrengend für sie sein“, dachte er. Also beschloss er, der Raupe zu helfen. Vorsichtig nahm er eine Nadel und öffnete den Kokon ein wenig, damit es der Raupe leichter fiel.

 

Und tatsächlich: Der Schmetterling kam schneller heraus, mit wunderschönen regenbogenfarbenen Flügeln. Aber etwas war nicht wie erwartet. Tage vergingen, doch der Schmetterling begann nie zu fliegen. Der Junge war verwirrt und traurig. Was hatte er falsch gemacht?

 

Er erzählte die Geschichte seinem Biologieprofessor, der ihn freundlich anlächelte. Der Professor erklärte ihm, dass der Überlebenskampf der Raupe ein notwendiger Teil ihrer Entwicklung ist. Nur wenn die Raupe sich selbst aus dem Kokon kämpft, kann sie die lebensnotwendige Flüssigkeit, die Hämolymphe, in ihre Flügel pumpen. Diese Flüssigkeit hilft, die Flügel zu entfalten und zu festigen, sodass der Schmetterling später fliegen kann. Der Junge hatte zwar gut gemeint, aber seine Hilfe hat den natürlichen Prozess gestört – der Schmetterling würde niemals fliegen.

 

Der Junge spürte Trauer und Schuld, denn seine gut gemeinte Hilfe hatte den Schmetterling daran gehindert, frei zu fliegen. Ihm wurde klar, dass manche Kämpfe im Leben notwendig sind, um zu wachsen und die eigene Stärke zu finden.

 

Diese Geschichte trägt eine wertvolle Lektion für uns alle in sich, besonders für diejenigen, die dazu neigen, anderen zu viel helfen zu wollen. Oft haben wir das Bedürfnis, die Kämpfe und Herausforderungen der Menschen in unserer Umgebung zu erleichtern. Wir wollen den Schmerz lindern und glauben, das Richtige zu tun. Aber manchmal nehmen wir ihnen genau das ab, was sie brauchen, um zu wachsen und sich zu entfalten.

 

Hilfe zur Selbsthilfe – das ist der Schlüssel. Unterstützung und Ermutigung, ja, aber niemals so viel, dass der natürliche Prozess des Lernens und Wachsens gestört wird. Denn wie der Schmetterling brauchen auch wir den Kampf, um unsere Flügel zu stärken.


Ich hoffe, diese lehrreiche Geschichte hat dich ebenso inspiriert wie mich und dich dazu angeregt, die Bedeutung von Unterstützung und Selbstentwicklung zu reflektieren.


Bis bald......


Mit herzlichen Grüßen,


Marc Raffler


Mentalcoach und Hypnosetherapeut

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