Midlifecrisis – wenn alles passt und trotzdem etwas fehlt
- Marc Raffler

- 4. Aug.
- 3 Min. Lesezeit

Irgendwann zwischen 40 und 55 beginnen viele Menschen, ihre Vergangenheit und Zukunft intensiver zu reflektieren. Bei einigen Männern (und auch immer mehr Frauen) führt dies zu einer Phase der tiefen Verunsicherung: der sogenannten Midlifecrisis. In meiner Praxis begegnen mir in letzter Zeit wieder vermehrt Männer, die sich in diesem Umbruch befinden – oft still leidend, nach aussen funktionierend, doch innerlich orientierungslos.
Was ist eine Midlifecrisis überhaupt?
Die Midlifecrisis ist keine psychische Erkrankung, sondern vielmehr eine lebenszyklische Krise, ausgelöst durch das Bewusstsein der eigenen Vergänglichkeit, das Gefühl verpasster Chancen oder unerfüllter Träume. Sie ist oft verbunden mit einem intensiven Infragestellen der eigenen Lebensentscheidungen: Bin ich glücklich in meinem Beruf? Funktioniert meine Partnerschaft noch? War das schon alles?
Diese Phase kann schmerzhaft, aber auch eine Chance sein – eine Einladung zur Neuorientierung, Akzeptanz und innerem Wachstum.
Eine meiner eigenen Theorien zu diesem Thema lautet:
Über Jahrtausende hinweg wurden Menschen kaum älter als 45 Jahre. Dass wir heute oft 70, 80 oder gar 90 Jahre alt werden, ist historisch betrachtet eine völlig neue Entwicklung. Diese „zweite Lebenshälfte“ ist – evolutionär gesehen – fast schon Neuland.
Uns fehlen oft Vorbilder aus der eigenen Familie, wie man mit dieser Lebensphase umgehen kann – schlicht, weil unsere Gross- oder Urgrosseltern sie selten bewusst erlebt haben. Gleichzeitig haben sich die Möglichkeiten und Lebensmodelle vervielfacht. Das schafft Freiheit, aber auch Überforderung. Und nicht zuletzt macht es der ständige Vergleich mit anderen (gerade über soziale Medien) schwer, den eigenen Weg klar zu sehen.
Wen betrifft sie in der Regel?
Am häufigsten betroffen sind Männer zwischen 40 und 55 Jahren – besonders jene, die sich stark über Leistung, Status oder Familie definiert haben. Die äusseren „Erfolge“ passen oft nicht mehr zu den inneren Bedürfnissen. Häufig geht es um:
Beruflich erfolgreiche Männer, die innerlich leer geworden sind
Väter und Mütter, deren Kinder älter und selbständiger werden
Männer mit körperlichen oder gesundheitlichen Veränderungen
Männer, die realisieren, dass manche Lebensträume sich nicht mehr erfüllen lassen
Frauen erleben ebenfalls Krisen in der Lebensmitte – oft zeitlich versetzt oder in anderer Form (z. B. durch Wechseljahre oder das sogenannte „Empty Nest“-Syndrom).
Welche Symptome zeigen sich bei einer Midlifecrisis?
Die Symptome sind vielfältig – oft subtil, manchmal aber auch sehr deutlich:
Innere Leere trotz äusserem Erfolg
Unzufriedenheit oder Reizbarkeit im Alltag
Partnerschaftskrisen, plötzliche Trennungswünsche oder der Wunsch, sich nochmals neu zu verlieben
Vermehrtes Grübeln über Sinn, Tod, Altern
Fluchtverhalten: Affären, exzessiver Sport, Motorräder, neue Hobbys oder Aktionismus
Karrierezweifel oder Umbruchswünsche
Rückzug aus sozialen Kontakten
Angst vor dem Altern oder Kontrollverlust
In manchen Fällen sogar depressive Verstimmungen oder psychosomatische Beschwerden
Welche Fehler werden häufig begangen?
Viele Männer versuchen, die Krise zu überspielen oder zu kompensieren, statt sich ehrlich mit ihr auseinanderzusetzen. Häufige Fehler sind:
Unreflektierte Entscheidungen wie Kündigung oder Trennung
Flucht in Aktionismus statt Innehalten
Verdrängung von Gefühlen oder Selbstzweifeln
Ersatzbefriedigungen durch Konsum, Technik, Substanzen oder Affären
Vergleiche mit Jüngeren oder einem idealisierten Selbstbild aus der Vergangenheit
Ein häufiger Irrtum in dieser Lebensphase ist die Annahme, man müsse sich noch einmal komplett neu erfinden. Doch manchmal liegt die Kraft nicht im Aufbruch, sondern im Ankommen.
Nicht jeder Impuls der Midlifecrisis muss zu einer neuen Karriere, einer neuen Liebe oder einem grossen Abenteuer führen. Manchmal geht es vielmehr darum, anzuerkennen, was war – und loszulassen: von einem Ideal, das nicht mehr passt, von überholten Bildern des eigenen Ichs oder dem Anspruch, sich wieder wie mit 30 fühlen zu müssen.
Die zweite Lebenshälfte darf anders sein als die erste: reifer, ruhiger, echter.
Fazit: Krise als Einladung zur Neuorientierung
Die Midlifecrisis ist kein Scheitern – sondern ein Wendepunkt. Eine Einladung zur ehrlichen Reflexion: Wer bin ich heute? Was will ich noch leben? Was darf ich loslassen? In meiner Praxis begleite ich Menschen genau in dieser spannenden Übergangszeit.
Wenn du dich in diesem Text wiederfindest – oder jemanden kennst, der sich vielleicht gerade in der Midlifecrisis befindet – sprich darüber. Es ist niemals zu spät, einen neuen Kurs einzuschlagen.
Ich hoffe, dieser Blogbeitrag hat dir neue Einsichten geschenkt – und dich vielleicht dazu ermutigt, die Veränderungen in der Lebensmitte nicht als Bedrohung, sondern als Chance zu sehen.
Manchmal reicht schon eine kleine Kurskorrektur – drei bis fünf Grad – um langfristig nicht in Südamerika, sondern in der Karibik zu landen.
Bis bald – vielleicht persönlich in meiner Praxis oder beim nächsten Blogartikel.
Mit herzlichen Grüssen
Marc Raffler
Mentalcoach & Hypnosetherapeut
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